Hier erfahren Sie Geschichtliches, Wissenswertes und Besonderes aus dem Fischerdorf Ermatingen, und zwar anhand verschiedener Postenstandorte anlässlich des Osterhasen-OL 2022 wie diesen:
Wir beginnen bei den ältesten Zeitzeugen, die von Ermatingen aus sichtbar sind: Die Vulkane im Hegau waren von 15 Mio. - 8 Mio. v. Chr. aktiv (zuletzt allerdings nur noch unterirdisch) - sie sind also 3'000x älter als unsere Pfahlbauer!
Besonders schön sind diese Vulkane vom Staadgarten mit der Bogenbrücke sowie von der Schifflände aus zu sehen. - Lernen Sie diese vier "Hohen..."-Vulkane doch gleich auswendig:
Die Zeit der Pfahlbauten an den Seeufern begann etwas 4'000 v. Chr. und dauerte bis ca. 800 v. Chr.
Erstmals lebten diese Menschen sesshaft und begannen, Ackerbau und Viehzucht zu betreiben. Natürlich spielte auch der Fischfang eine grosse Rolle.
In dieser Zeit kam ein erstes Metall auf, die Bronze.
In Ermatingen gab es zwei solcher Seeufersiedlungen: im Westerfeld (unmittelbar vor der Strandbadwiese) sowie im Bügen vor dem roten ehemaligen "Pumpenhaus".
Im Westerfeld vor dem Strandbad gibt's aber nichts mehr zu finden: Das Amt für Archäologie hat die Fundstellen mit Gittern, Kies und Flies abgedeckt, um sie der Nachwelt zu erhalten.
Lesen Sie dazu diese Infotafel des Amtes für Archäologie TG. Diese hängt auch an der Umzäunung des Strandbades Ermatingen.
Im Jahre 724 gründete der Mönch Pirmin das Klosters Reichenau. Auf Geheiss des fränkischen Verwalters Karl Martell wurde das Dorf Ermatingen mit seinen 24 Bewohnern zusammen mit anderen umliegenden Dörfern dem Kloster Reichenau als Untertanengebiet zugeteilt. In der entsprechenden Schenkungsurkunde wird Ermatingen erstmals schriftlich erwähnt - und feiert deshalb in zwei Jahren das 1300-Jahr-Jubiläum.
Im Kehlhof, wie in jedem Dorf einer stand, wurde der Zehnten eingezogen und in der Gerichtsstube die "niedere Gerichtsbarkeit", die nicht "ans Blut ging", ausgeübt (die "Hohe Gerichtsbarkeit" unterstand dem Landvogt in Frauenfeld).
Das heutige Gebäude wurde 1694 erbaut; früher stand der Kehlhof weiter westlich.
In diesem Kehlhof lebt Mary Sauter, eine traditionsbewusste Ur-Ermatingerin und Dorforiginal.
Sie ist eine äusserst liebenswerte Frau, aber auch konsequent - so wird in der Gerichtsstube nicht geraucht, woran sich auch der ehemalige Bundeskanzler und Kettenraucher Helmut Schmitt kleinlaut zu halten hatte...
Gemeinschaftsfischerei mit der "Segi" auf Gangfische
Eine über Jahrhunderte praktizierte Form war die Gemeinschaftsfischerei mit der "Segi" auf laichende Gangfische, eine Felchenart. Ein grosser Teil der Zehnten an das Kloster Reichenau musste in Form von geräucherten Gangfischen geleistet werden, und zwar genau 1'200.
Das alljährliche Gangfischschiessen, bei dem Preise in Form von geräuchten Felchen verliehen werden, geht auf diese Gemeinschaftsfischerei zurück.
Geräuchte Gangfische resp. geräuchte Felchen
Geräuchte Felchen sind heute noch DIE Spezialität aus Ermatingen .
Sie können solche in der Fischhandlung Fahrni oberhalb der Turnhalle oder im Restaurant Seegarten kaufen.
Fische kühlen mit Eis aus dem Eisweiher
Der Eisweiher ist durch Bretter vor Wellenschlag geschützt, so dass sich im Winter das Eis schnell bilden konnte.
Dieses Eis wurde von den Fischern herausgesägt und in Scheunen mit Sägemehl isoliert, um dann die gefangenen Fische kühl halten zu können.
Die unterschiedlichen Antworten auf die Frage, wie lange denn das Eis gehalten habe, fasse ich so zusammen: "Bis wiit in Summer ine".
Es gab Fischer, die zogen mit ihrem Leiterwagen, beladen mit dem eisgekühlten Fischfang, zu Fuss bis nach Schaffhausen, um ihre Fische verkaufen zu können...
Im Arenenberg und im Wolfsberg gab es Eiskeller, in denen auch solche Eisschollen eingelagert wurden (jener im Wolfsberg ist frisch renoviert und öffentlich zugänglich; er fasste 100 Wagenladungen Eis!). Wenn das Eis auf den umliegenden Weihern abtransportiert war, kamen die Wolfsberger Knechte mit ihren Ochsenkarren eben nach Ermatingen zum Eisweiher, wo es regelmässig zu Konflikten mit den einheimischen Fischern kam...
Sportfischer
Haben Sie gewusst, dass am Bodensee jedes Jahr 16'000 Sportfischer ihr Anglerpatent lösen?
Marcel Keller, einer von ihnen, erklärt Ihnen hier das Felchenfischen:
Die Fischbrutanstalt
Eine von sechs Fischbrutanstalten rund um den Bodensee steht hier in Ermatingen. Hier werden Millionen von Jungfischen ausgebrütet und im See ausgesetzt - dieses Jahr allein in Ermatingen 10 Millionen Felcheneier.
Was es "nützt", ist umstritten. Der See weist so wenig Phosphate und damit Nährstoffe aus wie noch nie. Den Fischpopulationen fehlt schlicht die Nahrung, ihre Grösse und die Fangerträge sind in den letzten Jahren dramatisch eingebrochen.
Dazu frisst jeder der 4000 (geschützen!) Kormorane rund um den See täglich ein halbes Kilo Fisch, also drei ausgewachsene Felchen...
Wahrscheinlich kann die Fischbrutanstalt die Populationsschwankungen etwas ausgleichen, aber die Bestände nicht wieder aufbauen.
Tipp: Wenn Sie sich über die aktuellen ökologischen und biologischen Themen über den Bodensee und die Fischerei informieren wollen (Phosphat- und Nährstoffrückgang; Sauerstoffgehalt; Zusammenbruch der Fischpopulationen und der Fangmengen; Kormorane, Stichlinge und Quagga-Muscheln; Aquakultur usw), dann lesen Sie diesen spannenden Krimi, der im Fischermilieu handelt.
All die erwähnten Themen hat Mattias Moor sehr sorgfältig recherchiert und in seinen Krimi eingebaut.
Sachinformation einmal anders und doppelt spannend!
Bodenseefische kaufen - oder gleich essen!
Kaufen Sie frische Fische oder geräuchte Felchen aus dem Bodensee zum Beispiel in der Fischhandlung Fahrni oberhalb der Turnhalle oder im Restaurant Seegarten.
Wenn Sie Fische lieber im Restaurant essen, empfehle ich Ihnen den Seegarten, die Krone, den Hecht und bald auch wieder den Adler!
Am Konstanzer Konzil von 1414-18 sollte unter anderem der Missstand bereinigt werden, dass drei Päpste gleichzeitig regierten. Johannes XXIII. war einer von ihnen und in Konstanz anwesend; allerdings kam er in Bedrängnis und flüchtete nachts als Knappe verkleidet dem Schweizer Seeufer entlang.
In Ermatingen soll ihn der Pfarrer mit gebratenen Groppen (einem damals häufigen Bodenfisch) bewirtet haben, wofür der Papst den Ermatingern dankbar diese Fasnacht gewährte. Sie wird drei Wochen vor Ostern gefeiert und gilt als letzte Fasnacht der Welt - natürlich auch als die schönste!
Am Umzug 2014, zum 600-Jahr-Jubiläum, wurden für den Umzug einige besonders kunstvolle Wagen zum Thema "Konzil von Konstanz" gestaltet.
Vor der "Schlacht bei Schwaderloh" im Rahmen des Schwabenkrieges 1499 (in Deutschland sagt man Schweizerkrieg) wurde Ermatingen von Konstanzer Landsknechten von der Reichenau her überfallen und niedergebrannt. Nur wenige Einwohner konnten sich in die Wälder retten.
Bei diesem Überfall wurde auch die kurz zuvor erbaute Kirche niedergebrannt.
Die anschliessende "Schlacht bei Schwaderloh" fand dann nördlich von Triboltingen / Tägerwilen im Tägermoos statt, gar nicht in Schwaderloh. Dort waren nur die eidgenössischen Truppen stationiert gewesen.
Das Gasthaus Adler ist eines der ältesten Gasthäuser im Thurgau. Es wurde 1270 erstmals schriftlich erwähnt und im 16. Jahrhundert in der heutigen Form erbaut.
Es war vor zweihundert Jahre die "Stammbeiz" von Louis Napoleon, der ja im Schloss Arenenberg seine Jugendzeit verbracht hatte.
Hören Sie hier in DRS aktuell, wie Hedi Blattner im Ermatinger Dialekt über das Hotel Adler erzählt (spulen Sie zu Minute 18).
Der Adler ist kürzlich nach einem Todesfall verkauft worden - hoffen wir, dass wir bald wieder im "Napoleonstübli" dinieren oder unter den gestrengen Augen von Napoleon I. ein Napoleon-Bier trinken können!
Sie wissen sicherlich, dass Louis Napoleon zusammen mit Charles Parquin von der Fremdenpension Wolfsberg den Bau des ehemaligen Napoleonturms "Belvédère" in Wäldi veranlasst hat.
1835 wurde im ehemaligen Restaurant Hirschen der Thurgauer Schützenverein gegründet. Friedrich Hartmann Ammann, ein Ermatinger, wurde dessen erster Präsident, Prinz Louis Napoleon vom Arenenberg wurde in den Vorstand gewählt.
Später bekam Louis Napoleon seinerseits präsidiale Ehren und wurde sogar noch zum Ehrenpräsidenten gewählt.
Die Ermatinger Schützen stellten damals ihre Scheiben auf Pfähle oder Stege im seichten ufernahen Wasser - bis sie dann diesen Schiessbetrieb wegen der dahinter durchfahrenden Schiffe wieder aufgeben mussten...
Wenn Sie Ihrer Jungmannschaft von Zeit zu Zeit anstelle eines gesunden Thurgauer Fabelhaft-ist-Apfelsaft-Süssmostes so ein ominöses Flügel verleihendes Büchsengetränk gewähren, ist die Chance gross, dass dessen Verpackung aus der "Dosenfabrik Louis Sauter AG" in Ermatingen stammt, die sich vor allem auf Blechverpackungen und Weissblech-Dosen spezialisiert hat.
Diese Dosenfabrik ist zwar beileibe kein Schmuckstück im Ortsbild des traditionellen Fischerdorfes, dafür aber der grösste Arbeitgeber am Ort.
Das heutige Rathaus ist gleich nochmals keine architektonische Augenweide - ich zeige Ihnen deshalb das alte, das 1968 leider abgebrochen wurde...
(Wenn heute der Heimat- und der Denkmalschutz zu viel Mitspracherecht haben, dann hatten sie damals eindeutig zu wenig!)
1815 explodierte in Indonesien ein Vulkan namens Tambora. In der Folge umhüllte die austretende Asche den ganzen Erdball; das Wetter spielte zwei Jahre lang völlig verrückt.
1816 war dann das "Jahr ohne Sommer": Die Sonne war kaum je sichtbar, es regnete fast pausenlos und schneite in jedem Monat. Die Schneedecke in den Alpen schmolz nicht. Die Ernte verfaulte auf den Feldern, und Mitteleuropa erlebte eine der grössten Hungersnöte.
1817 regnete es weiter bei einer doppelten Schneeschmelze - da stiegen allerorts die Pegel auf Höchststände, so auch auf dem Boden- und Untersee, wie diese Tafel bei der alten Fischhandlung zeigt.
Das Oktoberfest in München geht übrigens auf die erste gute Ernte nach dieser Hungersnot im Jahre 1818 zurück.
Während der ganzen Reichenauer Herrschaft durften wegen der Hochwassergefahr die Untergeschosse der Fischerhäuser nur als Lagerräume verwendet werden; die Wohnzimmer befanden sich im Obergeschoss.
Ein Posten steht im Rosengarten des Vinoramas, des Ermatinger Ortsmuseums.
Es ist jeweils am Samstag- und Sonntagnachmittag geöffnet.
Dieses besteht aus den Häusern Harmonie (linker Hausteil auf der Foto) und Phönix (1847 abgebrannt und wiederaufgebaut) mit einer Ausstellung über die Wohnkultur um 1900.
In der Remise hinter dem Haus ist die Geschichte Ermatingens mit den Schwerpunkten Weinbau und Fischerei dargestellt.
Letztes Jahr wurde die neu sanierte und ausgebaute Schifflände (wir sagen hier "Stedi") eingeweiht und in Betrieb genommen - der neue Stolz von Ermatingen!
Sie hat zwar etwas gar viel Asphalt, Beton und Kies abbekommen, aber der schönste Treffpunkt an einem romantischen Sommerabend ist sie allemal!
Das ehemalige Kursschiff MS Kreuzlingen mit Restaurationsbetrieb liegt an der Stedi im Ermatinger Heimathafen.
Verstehen Sie eigentlich die Ermatinger Eingeborenen in ihrem allemannischen Dialekt, wenn Sie auf der Strasse angesprochen werden?
Gewöhnen Sie sich also an unsern Dialekt und hören Sie dieses "Gschichtli vu minere Grossmotter" - Friedel Keller erzählt Ihnen, warum es sich lohnt, Ordnung um Haus herum zu halten!